Der Kabinettsentwurf des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes geht in die finale Phase, und es droht eine weitere Demaskierung politischer Haltung, nämlich die Aufgabe des Prinzips „Ambulant vor Stationär“ im Bereich der Intensivpflege.
Vorbemerkung: Es geht in erster Linie noch nicht mal um eine Präferenz für den einen oder den anderen Bereich oder Formulierung von Partikularinteressen. Man kann sehr objektiv auf diesen neuen Gesetzentwurf blicken, denn gerade in Anbetracht der Entwicklung der letzten Jahre und der nennenswerten Häufung von Qualitätsmängeln und Abrechnungsbetrug ist eine Neuausrichtung der Intensivpflege absolut zu begrüßen. Vor allem, wenn man selbst Anbieter qualitativ hochwertiger Leistungen ist und seit Jahren etabliert und mit guten Ergebnissen in diesem Bereich tätig ist, dann sind einem die leider doch vielen schwarzen Schafe in dieser Branche ein Dorn im Auge. Bei dem Versuch diese aus dem Markt zu drängen, sollte jedoch bitte darauf geachtet werden, dass man nicht den „Guten“, die eine fachlich und qualitativ hervorragende Arbeit im Interesse der Patienten und Kostenträger leisten, mit dem neuen Gesetz die Geschäftsgrundlage entzieht und dann genau das Gegenteil erreicht, was eigentlich beabsichtigt ist. Diese Gefahr besteht jedoch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf.
Es ist auch außer Frage, dass verbesserte ärztliche Versorgung und die Stärkung der Versorgung in Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken grundsätzlich vorteilhaft ist.
Der Gesetzgeber begeht mit diesem Entwurf allerdings einen Paradigmenwechsel in der Pflege, genau genommen einen Bruch mit ansonsten propagierten Maximen.
Seit Einführung der Pflegeversicherung heißt der Grundsatz: Ambulant vor Stationär! Dies auch gerade zur Stärkung von Teilhabe und Autonomie nach dem Grundsatz so lange selbständig wie möglich zu leben in wohnlicher Umgebung. In den letzten Jahren ist dieser Grundsatz noch verstärkt worden, in dem die Leistungen der Kranken- und Pflegekassen für solche ambulant versorgten und betreuten Wohnformen im Vergleich zu stationären Settings ausgebaut worden sind.
Nun soll gerade im sensibelsten und aufwändigsten Bereich der Pflege, nämlich in der Intensivpflege, dem stationären Bereich ein klarer Vorrang gegeben werden. Dies u.a. dadurch, dass ebenfalls unter Bruch der bestehenden Systematik nach dem neuen § 37 c Abs. 3 Investitionskosten für intensivpflichtige Bewohner in vollstationären Einrichtungen von den Kassen übernommen werden sollen. Im ambulanten Setting einer Wohneinheit dagegen müssten diese Menschen ihre Mieten selbst bezahlen. Das ist vollkommen unakzeptabel und stellt eine klare Benachteiligung und Verzerrung von Wettbewerb und Chancengleichheit dar, deren Rechtmäßigkeit ggf. auf juristischem Wege geklärt werden müsste.
Will man eine hochwertige, aktivierende auch auf Besserung zielende Pflege im Bereich Intensivpflege sichern, dürfen ambulant betreute Formen zumindest nicht benachteiligt werden.
Insofern ist es mehr als verwunderlich, dass der Gesetzentwurf nicht ein klares Statement zur Versorgung in Wohngruppen beinhaltet, wie es in der Pflege allgemein selbstverständlich ist.
Wie grundsätzlich eine Versorgung in stationären Einrichtungen aussehen könnte und sollte, ist noch nicht mal im Ansatz geklärt, räumliche und personelle sowie qualitative Standards sind offen; und das vor dem Hintergrund einer sich stetig intensivierenden Diskussion über Fachkräftemangel und notwendigen Alternativen zur stationären Pflege. Von der Attraktivität dieser Versorgung für hochqualifizierte Pflegefachkräfte im Bereich Intensivpflege ganz zu schweigen.